Janis Quintino

3D - Animation & Fantasy

Maronnschawar

 

Wütend stapfte er erst etwas fort von zuhause und dann links herum über die Wiesen. Die Sporen hafteten an seinem braunen ledernen aufgeweichten Schuhwerk. Der Tau durchtränkte es und es knatschte bei jedem Schritt. Dann wurde der Boden matschig. Er fluchte. Da begann es zu allem Überfluss zu regnen und er entschied sich besonnen den Wald zu betreten, wo er weniger nass werden sollte. Er wollte einen großen Bogen machen, um sich zu beruhigen. Gerade erst vor ein paar Augenblicken so kam es ihm vor, hatten sich ihre Wege getrennt. Warum nur wollte sie, dass er zur Gaichte bringt. Gaichte bedeutete, dass ein Bewohner Leibeirahns dem schwarzen Glanz der Leaitenhölzer huldigt und sich als Einwohner des dunklen edel wirkenden Waldes outet. Es bedeutet dem Wald sein Karma, seine Sünden und all seine Finsternis zu schenken und sich selbst damit zu erlösen. Seine finstere Konkurrenz aufzugeben, seinen Kampf aufzugeben, als feindlicher Mitstreiter aufzugeben. Denn der Wald denkt jeder ist böse und jeder kämpft von Natur aus gegen jeden. Ein Machtgerangel. Für den Wald ist das die Natur der Dinge und er geht davon aus, dass jeder mitspielt. Somit sind andere immer potentielle finstere feindliche Mitstreiter im Spiel des Lebens. Zur Gaichte bringen bedeutet, den Kampf gegen den Wald und um die größte Finsternis aufzugeben und dem Kampf abzuschwören. Dazu sucht man den Baumgeist Maronnschawar auf.

 

Er und seine Frau waren bereits auf dem Weg gewesen, da hatte er sich noch in letzter Sekunde umentschieden und der Streit hatte sie auseinandergebracht. Sie schwor auf den Maronnschawar. Ihre Ahnen hatten es getan und sie selbst auch. Nun verlangte man es auch von ihm. Zur Gaichte bringen wollte er nicht. Für ihn war das alles eine Lüge und eine Heuchelei. In seiner Welt muss man zeigen, dass man ebenso wie die Hölzer edel und finster ist. Kein Mensch jedoch ist finster und edel zugleich. Höchstens finster und sehr selten edel. Menschen sind einfach nicht wie der Wald. Dennoch sollte ein jeder die Zeremonie abhalten und sich als Einwohner würdig erweisen. Er sollte seine Charaktereigenschaften und die Taten in seinem Leben vorlegen und das auch, wenn er lügen würde, er sollte sich dem Maronnschawar stellen. Der Maronnschawar war eine Wucherung aus einem dicken Leaitenbaum. Es sah aus wie ein Körper und ein Gesicht, kleine Ästchen wirkten wie eine Haarpracht auf dem Kopf des Baumeisters. Der Kopf war eineinhalb Meter groß. Prächtig und mystisch zugleich. Nur etwas verrutscht an der Schulter des Körpers. Ein Waldgeist, der aus einem Holz erwächst. Ein von einem Geist befallener Baum. Eine Wucherung, eine lebendige, man sprach ihr ein Bewusstsein zu. Der Maronnschawar war eine Art Waldlymphe ein Baumgewuchs mit einem Gesicht und einem Oberkörper. Sah man ihm in die Augen konnte man mit ihm kommunizieren. Er testete die Menschen die vorbei kamen um sie als würdig zu erforschen. Schatten wandelten über sein Haupt. Die Baumkronen warfen dunkle Netze. Einfangend, vereinnahmend und fast schon räuberisch.

 

Der Wald wurde dunkler. Vielleicht waren Wolken über den Baumkronen erschienen. Er wusste es nicht, also nahm er die Atmosphäre in sich auf und genoss die Geborgenheit der flauschigen Finsternis. Er spähte ins Dunkle und auf einmal schwirrte ein Lichtstrahl heran und er blickte in ein aufgedunsenes mit Rinde bewachsenes Gesicht. "Maronnschawar!‘‘ erschrak er und hauchte in den Wald mit kaum hörbarer Stimme. "Ich nehme an, du hast mich zu dir geführt.‘‘

Der Mann blickte dem Geist ins Auge. Ob das Wesen wusste, dass er sich vor dem Gaichte bringen drücken wollte?  Er kniete vor dem Geist und wisperte: "Meine Frau hat sich mit mir gestritten, ich finde die Legende die man über dich erzählt ist ein Unding. Absorbation, die Hölzer der Leaiten absorbieren die Grausamkeit der Natur, ja so erzählt man sich, die Hölzer ziehen Unsittlichkeit und Finsternis in sich, machen alles andere rein und unschuldig, das ist für einen Sündigen ein Segen, doch ich bin kein Sündiger, also was soll das ganze?“ „Deswegen gibt es keinen Überlebenskampf der Natur in Leibeirahn.“ Der Mann erschrak. "Hast du gerade mit mir geredet?‘‘ "Nein, das waren deine eigenen Gedanken.“  "Ach so‘‘, doch in dem Moment erschrak der Mann, denn er hätte meinen können ein Schatten wäre über die Augen des hölzernen Geistes gehuscht. Es sah aus, als hätte er… geblinzelt.

 

Wer ehrlich seine finsteren Eigenschaften zu dem Baum trug der wurde erlöst und weniger finster. Leibeirahn der Wald der dunklen Leaitenhölzer erlaubte keine Konkurrenz, er wollte das einzige Finstere sein. Menschen sollten gereinigt werden, ihre Finsternis abgeben an die dunklen edlen Hölzer, mit glatter Rinde. "Nein ich mache das nicht Maronnschawar!“, er wollte sich abwenden. „Warum?“ frage der Waldgeist. „Sag mal redest du mit mir oder sind das meine Gedanken? Was ist hier los?“ „Beides!“ „Dann hör mir zu: ich bin kein finsterer Mensch, doch ich will mich meinen Sünden stellen, die nicht sehr zahlreich sind.“ „Sünde ist Sünde!“ „Ja, aber ich werde sie ausgleichen.“ „Dann sind sie aber nicht mehr da und du zahlst keinen Tribut dem dunklen Wald. Gib mir deine Finsternis und mag sie auch noch so gering sein. Ich sauge sie dir aus und du bist ohne negatives Karma.“ „Aber ich verdiene es nicht, ich habe es selbst wieder gut zu machen.“ „Ich will Deinen Tribut! Zahle!“ „Sei ruhig, ich gehe jetzt – leb wohl!“

 

Der Mann wanderte benommen durch den Wald. Da wandelten sich die Bäume und wurden kräftiger. Er hatte den Wald verlassen und einen anderen aufgesucht und gefunden. Er fühlte sich panisch, denn er hatte die einzige Chance auf eine harken lose Erlösung abgelehnt. Dennoch fühlte er sich gleichzeitig erhaben – er hatte das Richtige getan! Die Blätter in seinem Haar, aufgewirbelt durch einen Windrausch, lösten sich und segelten zu Boden.

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